Susa Templin

Real Estate
13.04.-25.05.2013 | Eröffnung: 13.04. | 19 Uhr

Einführung: Dr. Stefan Rasche, Berlin
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

2013_Templin

 


In ihren fotografischen Installationen aus Holzleisten und großen Fotoabzügen auf Papier verfolgt Susa Templin (*1965 in Hamburg) eine subjektive Auseinander-setzung mit dem spezifischen Charakter und der Struktur von Räumen. Gerne verwickelt sie den Betrachter in eine irritierende Mischung aus Realem und Fiktivem, indem sie Versatzstücke bekannt geglaubter Wohnräume mit Benutzeroberflächen des modernen Alltags verschränkt und oft noch um eine weitere fotografische Dimension ergänzt.

Der Raum, in dem wir leben, durch den wir aus uns herausgezogen werden, in dem sich die Erosion unseres Lebens, unserer Zeit und unserer Geschichte abspielt, dieser Raum, der uns zernagt und auswäscht, ist selber auch ein heterogener Raum. Anders gesagt: wir leben nicht in einer Leere, innerhalb derer man Individuen und Dinge einfach situieren kann. Wir leben nicht innerhalb einer Leere, die nachträglich mit bunten Farben eingefärbt wird. Wir leben innerhalb einer Gemengelage von Beziehungen, die Platzierungen definieren, die nicht aufeinander zurück zu führen und nicht miteinander zu vereinen sind.“



Was Michel Foucault in seinem Vortrag „Andere Räume“ als systematische Ordnung für jene Orte beschreibt, die nach eigenen Regeln funktionieren, kann auch auf die künstlerischen Produktionen von Susa Templin bezogen werden. „Die Heterotopie“, so Foucault in seinem Manuskript von 1967 weiter, „vermag an einen einzigen Ort mehrere Räume, mehrere Platzierungen zusammenzulegen, die an sich unvereinbar sind.“ So vermag es die Künstlerin, in ihrer extrem verdichteten Installation „Real Estate“ für den Neuen Kunstverein Gießen die wiederkehrenden Leitmotive ihrer Auseinandersetzung mit dem Charakter von Räumen und deren Verhältnis zum Außenraum miteinander zu verschränken. Dieses Erlebnis in mitunter merkwürdigen, dreidimensionalen Räume wird mit der Installation des „Reals Estate“ hier im Kunstverein einerseits dokumentiert und durch die extreme Verdichtung potenziert. 



Markus Lepper, 
Neuer Kunstverein Gießen

Auszüge aus dem neuen Katalog:

Stefan Rasche:

„Doch neben den meist rahmenlosen Papierabzügen kommt noch eine andere Komponente ins Spiel: verwinkelte Raumgerüste, aus schmalen, grau lackierten Holzleisten konstruiert, die wie eine plastische Umrisszeichnung in den Ausstellungsraum hineingestellt werden, wo sie als offene, körperlose Platzhalter Volumen andeuten und Perspektiven suggerieren. Meist sind sie leer, um als ‚Unbestimmtheitsstellen‘ individuelle Raumvorstellungen zu evozieren, aber gelegentlich dienen sie auch als frei stehende Rahmenkonstruktionen für die sich wellende Fotografie, etwa für das Schwarzweiß-Bild eines Wäscheberges, der dadurch enorme plastische Präsenz gewinnt. Und doch führt der Versuch, den erinnerten Räumen eine fassbare Gestalt zu verleihen, zu keinem endgültigen Resultat.“

Annelie Pohlen:
Irgendwann muss die Decke weg. Freiräume im ‚Triangel of Need‘

„In Gießen sind die Konstruktionssegmente – frei gestellt von allen Verweisen – im Zentrum des Ausstellungsraumes so ‚selbstverständlich‘ ineinander komponiert, als könnte es irgendwann einmal gelingen, alles Begehren in einem ‚Real Estate‘ beschwingter Leere zu kondensieren. Vielleicht lässt sich die auf einer Zeitschiene ineinander verwobenen Passagen in Susa Templins ‚Real Estate‘ auch so deuten: Die mühsamen Aktionen, Wände und Decken zu durchlöchern, haben sich erübrigt. Das blinde Fenster in der Wand wird auch durch fortschreitende Montage im Raum nicht durchlässiger. Doch wenn in der künstlerischen Imagination die Mauern fallen, dann öffnen sich Räume aus bloßen Linien zu Orten komplexer Durchblicke, deren sich selbst ‚reflektierende‘ Leere in Fotoarbeiten schließlich als flüchtiges Ideenbild von Räumen und Spuren physischer Präsenz aufscheint.“

Publikation

Susa Templin: Real Estate

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Susa Templin baut Räume. Dabei geht sie aus von der Fotografie, ohne sich im klassischen Sinne als Fotografin zu verstehen. So steht auch nicht das einzelne Bild im Zentrum ihres künstlerischen Interesses, sondern sie arbeitet in Zyklen und thematischen Reihen, wobei ihr die fotografischen Bilder zu allererst als Basis dienen, als Bausteine, um mittels anderer Medien – dem Modell, der Skulptur und der Installation – in den realen Raum vorzudringen. Anders gesagt: Die immer schon raumhaltige, aber flächige Fotografie wird erweitert zu plastischen Bildgebäuden, die sich dann auch körperlich erfahren lassen, die den Betrachter einladen, sie zu betreten und sich in ihnen zu bewegen. Der Katalog „Real Estate“ versammelt verschiedene Werkzyklen der in Berlin und Frankfurt lebenden Künstlerin: Ausgehend von ihren fotografischen Stadterkundungen, die während ihres langjährigen Aufenthalts in New York entstanden sind, über ihre Beschäftigung mit Wasser und simulierter Natur bis hin zu den Zyklen „Reflexives Spaces“ und „Totale Wohnung“, in denen sich Susa Templin mit Wohn- und Innenräumen befasst.

Link zu Verlagsseite

Neuer Kunstverein Gießen (Herausgeber),
Annelie Pohlen (Autor), Stefan Rasche (Autor), Thorsten Jantschek (Autor)
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Verlag: Kehrer, Heidelberg; ISBN-13: 978-3868284157

€ 39,90

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