Der Neue Kunstverein Gießen bei den "Gießener Auftritten"
18.09.2021, 21–22 Uhr
Videowall am Berliner Platz
Am Samstag, den 18.09.2021, 21–22 Uhr, präsentiert der Neue Kunstverein auf einer großen Videowall am Berliner Platz ein ausgewählte Videoarbeiten im Rahmen der „Gießener Auftritte“.
Ben Goossens
Lucid Liquid, 25:00 Min
Video und Konzept: Ben Goossens
Sounddesign: Rupert Jaud
Industrielle, funktionale Gebäude werden sich selbst überlassen. Unkontrolliert entwickeln sie ihr Eigenleben.
Einst effiziente Produktionsabläufe fangen an sich zu verselbständigen, sie werden ziellos, zweckfrei, chaotisch und unvorhersehbar.
Die menschengemachte Ordnung, Struktur und Taktung weicht auf, zerfließt.
Rauch, Dunst, Nebel, Wasser und andere Substanzen wabern und rinnen durch unterschiedliche Räume. Durch die Ausdehnung dieser Flüssigkeits- und Dampfzustände sind einige Räume nicht einsehbar, oft nur ahnbar.
Diese Räume sind Simulacren psychischer Wirklichkeiten. Sie umkreisen Beklommenheiten verdrängten Ursprungs und unausgesprochene Ängste unserer Zeit.
Yalda Afsah
Tourneur (2018), 14:00 Min
Der Kurzfilm Tourneur dokumentiert einen Stierkampf in Südfrankreich und kommentiert subtil die Diskrepanz zwischen den jungen, adrenalingeladenen Teilnehmern und dem körperlich überlegenen Tier, das von den heranwachsenden Männern in die Enge getrieben wird. Die Unvorhersehbarkeit der Situation wird durch die Schaumflutung in die provisorische Arena erhöht, was die Sicht der Teilnehmer und des Publikums gleichermaßen beeinflusst. In der undurchsichtigen Schaummasse wird die Begegnung zwischen Mensch und Tier zu einem surrealen und archaischen performativen Akt – als wäre sie der Realität entglitten, wird sie zu einer eigenen Abstraktion.
Tim Wolff
Hier! (2005), 13:06 Min
LoFi-Videocollage
Das dreizehnminütige Video mit dem Titel "HIER!" ist Tim Wolffs erste, schon 2005 entstandene Videocollage. Er schneidet selbstgefilmte, rohe Videosequenzen von rechten Aufmärschen und von Gegendemonstrationen in München, zu einer intensiven, albtraumhaften Dokumentation, die jedoch nicht den klassischen dokumentarischen Prinzipien folgt.
Es ist ein Zeitdokument, das durch ständige Wiederholungen, Überblendungen, und extrem schnelle Schnitte des Videomaterials, den Zuschauer mitten in die bedrohliche Atmosphäre jener Zeit versetzt, die an Aktualität leider nie verloren hat. Kurze Videofragmente, – immer mit hörbarem Originalton – bilden durch rhythmische Setzung die Basis dieser dokumentarischen Arbeit, die durch ihre dröhnende und aggressive Ton- und Bilderflut von gefühlten Situationen erzählt.
Meike Redeker
Ophelia (2020) 8:00 Minuten
Ein Monolog in rückwärts gesprochenen Worten verhandelt diskriminierende Darstellungen von Frauen in Geschichte und Gegenwart.
Die Videokünstlerin betritt selbst die Szenerie eines Flussufers. Zielstrebig und in voller Kleidung begibt sie sich ins strömende Wasser. Die Einstellung ähnelt John Everett Millais' bekanntem Gemälde „Ophelia" (1851-52), das den ästhetisierten Tod von Shakespeare's weiblicher Figur Ophelia darstellt. Jedoch spricht die Künstlerin die Kamera ununterbrochen an.
Erst das Rückwärtsspulen des Videos dechiffriert ihre abstrakten Laute und macht Worte und deren Inhalt erkennbar. Auf mehreren Ebenen bewegt sich das Video in der Zeit vor und zurück und enthüllt dabei auch die komplexen Verstrickungen von Bild und Sprache mit der Konstruktion von Rollenbildern.